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l'ocre - das essay



Andreas Kühne

Die Gewänder der Engel

Ein Versuch über den Ocker.



Die Farbe Ocker gehört neben dem Rötel zu den ältesten Farbstoffen der Welt. Eine erdige Mischung von Kiesel und Alaun, kommt sie in der Natur häufig gemeinsam mit Faulschlammablagerungen vor. Das Eisen, das aus tertiären Sedimenten und eiszeitlichen Geschieben stammt, gibt ihr die rötliche, die charakteristische Färbung.

Im Unterschied zu anderen Farben ist die rotbraune Erde neben dem Gelbocker in idealer Weise für die Bemalung von Höhlen, Wänden und Häusern geeignet. Bereits die paläolithischen Höhlenmaler bedienten sich seiner eindrucksvollen Wirkung für ihre Bilder von Jagdszenen, Pferden und Stieren. Die Färbung von Skeletten mit Ockerpigmenten und die Ausmalung von Grabkammern gab einer großen, zwischen Ural und Karpaten angesiedelten Zivilisation den Namen "Ockergrabkultur". Auch in den glasierten Farbtöpfchen, die man bei den Ausgrabungen in Pompeji entdeckte, fanden sich Ockerpigmente. Später bedienten sich die frühchristlichen Katakombenmaler des Ockers für ihre verzweigten Symbolfolgen unter den Straßen der römischen Megapolis.

Über seine Verwendung auf dem Unterputz von Fresken in der italienischen Malerei des Trecento und Quattrocento hat Cennini ausführlich berichtet.

Anders als in den byzantinischen Handschriften, in denen der Ocker ein Jahrtausend lang als Kolorit benutzt wurde, fand er erst ganz allmählich Eingang in die abendländische Buchmalerei.

Zwar ist der Ocker in der Karolingerzeit bereits leicht erreichbar, aber die Koloristen verwenden ihn sparsam. Opak aufgetragen, dünn lasiert oder im gelben Naturton belassen, erfüllt er verschiedene Bestimmungen. Er färbt den Boden, den Hintergrund und die Zonen des Himmels. Möbel und Fassaden, antike Tempel und Stiftskirchen tragen seine Farbe. Der Mantel Kaiser Karls des Kahlen ist ebenso ockerfarben wie der Brustpanzer Kaiser Lothars in einer Hrabanushandschrift. Auf dem Gewand des Weltenherrschers genügt der braune Ton allein nicht, hier ist er mit Goldlichtern gehöht.

Zwei Jahrhunderte später, im ottonischen Zeitalter, ist der Ocker bereits zu einem festen Bestandteil auf der Palette der Koloristen geworden. Vielleicht hat die zunehmende Kenntnis byzantinischer Malerei zu diesem Wandel beigetragen. Die Mönche benutzen ihn in den verschiedensten Nuancen, dem ockergelb, dem orangegelb und dem orangebraun, bevorzugt zur Ausmalung der Gewänder. Ocker erscheint auf dem Mantel des Erlösers, den Gewändern der Engel und den Tuniken der Evangelisten.

Ockerfarben sind die Galakleider des Kaisers, die Trachten von Bischöfen und Kardinälen und die einfachen Mönchskutten.

Reicht die Kraft anderer Farben nicht aus, wird ihre Wirkung durch die Verwendung brauner und rotbrauner Falten- und Schattenlinien verstärkt. Nach Tikkanens Meinung bilden die Miniaturen aus der Malstube des Klosters Reichenau einen Höhepunkt in der Klangfarbigkeit des Ockers. Hier stehen die ockerfarbenen Mäntel in einem effektvollen Kontrast zu den bläulichen Tuniken.

Selten in den mittelalterlichen Handschriften ist ein Farbton, der an "Terra di Siena" erinnert. Im Sakramentar von St. Gallen tragen der Rock der Maria unter dem Kreuz und die Gewänder der Engel die Farbe der braunen Erde.